Willkommen zurück, werte Lesende!

Mir fiel auf, dass der letzte Post nun doch ziemlich schwermütig war. Es ist einfach ein wichtiges, aber kein fröhliches Thema. So, und was machen wir nun damit, wenn wir das ganze Elend festgestellt haben?

Nun. Knackig und kurz: Raus aus der Schmuddelecke, Gesicht zeigen, Freunde suchen und schwups, schon ist es fertig. Hm, das war jetzt vielleicht ein bisschen sehr knackig und kurz. Vielleicht doch etwas ausführlicher?

Wer mich regelmäßig liest, kennt das Claire-Mantra: „Ich kann nur ändern, was ich akzeptiere.“ Es beginnt also mit dem nüchternen Hingucken: „So war meine Kindheit, das waren die Erlebnisse in meiner Familie.“

Mir fällt auf, dass viele von uns, die verzweifelt versuchen den Schwarz-Schaf-Eindruck zu vermeiden, sich ungeheuer anstrengen, einen guten Eindruck zu machen. Da wird gutes Benehmen mit dem perfekten Outfit kombiniert, die Einrichtung auf die Jahreszeit abgestimmt, die Biografie stromlinienförmig ausgebügelt („Jetzt machst du erst eine  schöne Banklehre und dann studierst du BWL!“). Die Kinder haben die „richtigen“ Hobbys, der Pinguin hat seine eigene Hütte vorm Haus und das Auto ist immer blankpoliert. Wieso auch nicht?

Naja, das mit dem „wieso-nicht“ ist ganz einfach zu beantworten. Wenn alles aussehen muss wie aus dem Ei gepellt, damit niemand merkt, dass wir aus einer Schwarzschaf-Familie stammen, dann sind wir nicht authentisch. Dann sind wir nicht echt.

Das Blöde am Unecht-Sein ist, dass es andere Menschen hochgradig irritiert, wenn wir nicht echt sind – und dass sie sich ebenfalls nicht so zeigen, wie sie wirklich sind. Im schlimmsten Fall überbieten sich beide Seiten mit Geschichten, die den Eindruck erwecken sollen: „Bei mir läuft’s.“

Durch diese aufgesetzten Konversationen, die Oberflächlichkeit der Gespräche, den Wettbewerb, wessen Leben instagram-würdiger ist, verstärkt sich das Gefühl der Einsamkeit. Vor allem, wenn unser Gegenüber jemand ist, der sein Ego aufbaut, in dem er andere runtermacht: „Waaaas, Deine Kinder sind nicht hochbegabt? Wie, Ihr fahrt keinen Maserabugarrari? Boh, du hast aber zugenommen / Falten bekommen / die Schwangerschaft nicht gut überstanden! Also ICH mach jetzt Yoga, spiele Golf, mache Urlaub im 5 Sterne plus, und aus allen meinen Körperöffnungen kommt Zuckerwatte.“

Nicht vergessen: wer andere mies macht, wer es nötig hat, dass andere sich klein und minderwertig fühlen, dem dürfen wir aus dem Weg gehen. 

Wir brauchen Freunde, die sich mit uns freuen, wenn es gut läuft und die mit uns trauern, wenn es schlecht läuft.

Erst, wenn wir uns so zeigen, wie wir wirklich sind, mit Ecken und Kanten, dann werden wir nämlich für die Menschen sichtbar, die unsere Freunde werden wollen. Die uns ähnlich sind. Die zu uns passen.Die mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls aus Schwarzschaf-Familien stammen. In deren Gesellschaft das Gefühl der Einsamkeit endlich ein Ende findet, weil wir uns verstanden fühlen. 

So lange wir Menschen hinterherlaufen, die den Eindruck machen, bei Ihnen sei alles perfekt, so lange wir uns von unseren Freunden erhoffen, dass deren „normal“ auf uns abfärbt, werden wir keine echten Freundschaften haben. Wir werden oberflächliche Beziehungen zu Menschen haben, die uns immer das Gefühl geben, dass wir nicht gut genug sind und dass mit uns etwas nicht stimmt. Es wird körperlich anstrengend sein, dieses Bild aufrecht zu erhalten. 

Und irgendwie scheint mir das Leben dafür zu kurz.

Kategorisiert als:

Coabhängigkeit, Selbstfürsorge,

Letzte Änderung: 22. August 2020