Serenity Now!

Na, Ihr Besten?!

Vor vielen Jahren gab es in der Serie Seinfeld eine Folge, in der jemand ständig „SERENITY NOW!“ brüllend durch seinen Alltag rannte, um seinen Stress zu reduzieren.

Ein älterer, psychotherapeutischer Kollege von mir sagte vor vielen Jahren im abgeklärten Ton: „Egal um welches Thema es in unserer Arbeit geht: „Die Wurzel jeden Übels ist immer Angst. Ob es um extremen Stress geht, um Depression oder Aggression oder um Psychosomatik: dahinter steckt immer Angst.“

Vielleicht hat er Recht. Vielleicht irrt er. Sicher ist nur so viel: Angst ist eine der größten Thematiken in der psychotherapeutischen Arbeit.

Vor ein paar Jahren bekam ich mal eine Anfrage von einer Person, die wissen wollte, ob ich in der Lage sei, ihre Angstthematik zu behandeln? Mit der Anfrage kam eine detaillierte Liste, welche Methoden ich bitte in welcher Reihenfolge und in welchem Zeitraum anwenden solle.

Fast musste ich ein bisschen lachen: Jaa, da war sie wieder, die beste Freundin der Angst: Kontrolle. 

SERENITY NOW! 

In den Social Media Kanälen gibt es diese Einladungen: „Show me you’re Italian/Aries/ Star Trek Fan, without telling me you’re Italian/ …/ …“ Wenn es ein „Zeig mir, dass Du eine Angststörung hast, ohne mir zu sagen, dass du eine Angststörung hast!“ gäbe, dann wäre der übergroße Wunsch nach Kontrolle das untrügliche Anzeichen für stumm schreiende Angst.

Oh, ich verstehe das nur zu gut. 

Überraschungen mögen viele von uns nur, wenn sie von Schokolade umhüllt, aus Kunststoff und so klein sind, dass sie einen nur dann gefährden, wenn man sie unzerkaut herunterschluckt. Das Leben hat uns gelehrt, dass viele andere Überraschungen unerfreulich sind. Viele dieser unerfreulichen Überraschungen haben den Untertitel „Verlust!“.

Verlust von Gesundheit oder Geld, Verlust eines geliebten Menschen, Verlust einer Beziehung, Verlust von Wohlstand und Sicherheit.

Wer Verlust in jungen Jahren erlebt hat oder einfach sehr häufig und schmerzlich, der reagiert schon allergisch, wenn etwas auch nur nach Veränderung riecht.

Serenity Now!

Da liegt es doch nahe, sich schützen zu wollen. Und was bietet mehr Schutz als die Dinge so zu arrangieren, dass möglichst viele Ergebnisse vorhersehbar ist?

Wir greifen immer dann zu Kontrolltechniken, wenn wir uns erhoffen, Angst und Unsicherheit zu reduzieren. Angst und Unsicherheit sind für manche Menschen so schwer auszuhalten, dass sie mit aller Macht dagegen steuern. Was auf den ersten Blick wie eine pfiffige Lösung klingt, bringt auf den zweiten Blick einen ganzen Sack an Folgeproblemen mit sich. Im blödsten Fall entgleitet das übermäßige Kontrollieren in eine Zwangsthematik. 

Das Gegenteil von Angst ist nicht Kontrolle. Kontrolle ist eine Spielart von Angst.

Das Gegenteil von Angst und Kontrolle ist Vertrauen. 

Das Gegenteil von Angst und Kontrolle ist Loslassen.

Die gute Nachricht: Beides kann gelernt werden.

Die weniger gute Nachricht: es braucht Zeit und üblicherweise eine Person des Vertrauens mit der wir diesen Weg gehen. Im besten Fall eine psychotherapeutische Kollegin, die vertrauenswürdig ist. Der erste – und der schwierigste Schritt aus der Angst ist, sich auf die therapeutische Beziehung einzulassen und Vertrauen in diese Beziehung zu entwickeln. Das ist ein Prozess und – Ihr ahnt es schon – der braucht Zeit. Eine vertrauensvolle, therapeutische Beziehung wächst nicht über Nacht.

Also: Serenity: YES, but not immediately now.

Der schnellste und zugleich schwierigste Weg raus aus der Angst steckt in dem sogenannten „Gelassenheitsgebet“ oder „Serenity Prayer“: 

„Grant me the serenity to accept the things I cannot change, courage to change the things I can, and wisdom to know the difference“

„Gib mir die Gelassenheit, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Wenn wir in übermäßiger Angst gefangen sind, fällt es uns oft schwer, zu erkennen, welche Aspekte unseres Lebens wir ändern und damit kontrollieren können und welche sich unserer Kontrolle komplett entziehen.

Hach, jetzt so kurz nach Weihnachten lehne ich mich mal richtig aus dem Fenster:

Viele Menschen machen sich selbst zutiefst unglücklich, weil sie ihre gesamte Energie darauf verschwenden, verzweifelt zu versuchen jemanden oder etwas zu kontrollieren, was sich nicht kontrollieren lässt. Dabei entgleitet ihnen die Kontrolle über das, was sie tatsächlich in der Hand hätten. Ihr ahnt es: dieser Kontrollverlust führt wieder zu mehr Angst.

Serenity, my a**.

Vielleicht in Kürze mehr zu diesem Thema.

Macht’s Euch fein.

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Viel Spaß beim Lesen!