Na, Ihr – so? Ja, ich auch. Naja, Ihr wisst ja.
Während im Wohnzimmer gerade meine Stricksachen auftauen, bereite ich mich auf das nächste Schläfchen vor. Natürlich nicht, ohne mich vorher noch mal ausgiebig virtuell zu bedauern.
Gestern am späten Abend habe ich meinen Frust mit sieben asiatischen Mini-Hefeklösschen heruntergespült. Wieso macht sie so was? Naja, zum einen brauchte ich ja Platz in der Tiefkühltruhe für meine edle Biowolle. Zum anderen neige ich zum emotionalen Kohlehydrate-Essen, wenn meine innere Claudia Bertani gerade nicht hinguckt.
Zum dritten ist mir kein Argument zu dämlich, wenn ich doch meine, jetzt müssten es Weißmehl-Kohlenhydrate sein – die Mercedesse unter den Kohlenhydraten, wie ich finde.
Grundsätzlich ist mir schon klar, dass eine stark kohlehydratige Ernährung nicht ausschließlich Vorteile mit sich bringt.
Meine Akupunktur-Ärztin unterstützte den Trend mit weiteren Drohszenarien. Tierisches Eiweiß: Nich Machen! Böse! Ist nicht das Käsebrot der Untergang des Abendlandes? Ja. Natürlich. Puh. Dann eben nicht.
Schmerzlicherweise musste ich erkennen: ohne Milchprodukte ist meine Haut zart und rein. Mit ihnen… weisen mich Fremde bisweilen darauf hin, dass es für Clearasil keine Altersbegrenzung gibt.
Heute dann stand ein Arzttermin an für meine diversen anderen Wehwehchen. Die Sorte Wehwehchen, die gern mit dem Satz „Das ist altersgemäß“ diagnostiziert werden. Die Praxis beeindruckte durch eine Vielzahl von Engelbildern, Lotusblütenfotos, und verschiedenen Versionen des Gartenzwerg der Intellektuellen (aka die Buddha-Statue).
(Ich hab auch eine im Bad)
(Ich möchte nicht drüber reden)
(Danke)
Die Ärztin, ein wenig älter als ich, duzte mich freundlich. Hörte sich die Liste meiner Beschwerden an, begutachtete die Liste meiner Nahrungsergänzungsmittel (Ihr wisst schon, das Übliche: Weihrauch, Salpeter, Blutegel-Kapseln und Bananenshampoo) wohlwollend und ergänzte sie um Einhornpulver, Koboldsirup und Mondsteintinktur.
Ob ich denn noch Fleisch esse? Selten, wegen der Wehwehchen. Ebenso hätte ich Kaffee und Zucker runter dosiert, allerdings noch nicht komplett gestrichen. Kuhmilch und Käse ebenfalls stark reduziert.
Das klinge schon großartig, jetzt möge ich aber bitte noch Eier und das Weizenmehl weglassen. Ob ich mir vorstellen könne vegetarisch zu leben?
Äh. Wie war das mit den Eiern?
In mir stieg leichte Panik auf. Hühnereier sind aus meiner Ernährung nicht wegzudenken. Ohne Fleisch, Käse und Weißmehl könnte ich leben, aber ohne Hühnereier? Womit soll ich meine BigMacrolle machen? Womit meine Apfelringe?
Ihre Empfehlung: Zum Frühstück: Haferflocken mit Obst, Mittags einen großen Salat und Abends Gemüse, Kartoffeln oder Reis.
Äh.
Ähm.
Äh, also.
Schönen Tag noch.
Diese bekloppten, alternativen Heilmethoden, die einem immer abverlangen, gesund zu leben! Was bilden die sich eigentlich ein?! Ja, sind die denn wahnsinnig? Kann man nicht einfach das Einhornpulver höher dosieren? Der Abschied fiel von meiner Seite tränenreich aus.
Am frühen Nachmittag wollte ich meinen gesamten Frust in einem Friseurtermin ertränken. Der hatte mich aber an einem falschen Tag eingetragen. Heute haben wir leider keine Zeit für Sie.
Keine Zeit?! KEINE ZEIT?! Vor Ihnen steht eine Frau, der man gerade das Weizenmehl und die Hühnereier gestrichen hat! UND SIE HABEN KEINE ZEIT FÜR MICH!?
So muss Michael Douglas sich in „Falling Down“ gefühlt habe, kurz vor seinem Amoklauf.
Mit letzter Kraft schleppte ich mich ein paar Straßen weiter, wo eine sehr junge freundliche Friseurin sich meiner annahm. Ehrlich gesagt: Ich hab keine Ahnung, wie ich aussehe. Vielleicht habe ich jetzt einen Irokesen oder eine Dauerwelle… die einzige Erinnerung vom Nachmittag sind die leuchtenden Augen des Apothekers als er meine Einhornpulver-Verschreibung sah.
Bevor ich schlafen gehe, werde ich mal gucken, ob ich meine tiefgefrorene Jacke in der Mitte durchbrechen kann, bevor ich sie mit frischem Gemüse einnehme.
Wobei: Schurwolle fällt unter tierisches Eiweiß.
Das darf ich ja gar nicht.
Für heute – Ihr wisst schon!