Die Sonne lacht, ein Lüftchen weht, ich sitze im Café. Ich bin nicht allein. Mir gegenüber ein alter Freund mit einem doppelten Espresso, nebenan und drumherum Bauarbeiter.
Der Freund mit bester Laune, nein: mit blanker Euphorie. Wir halten ein Nachmittagspläuschchen.
„Bisher durfte ich immer nur in Hamburg morden. Jetzt endlich auch mal in meiner Heimatstadt München“
Die Bauarbeiter halten inne und schauen sich an.
„Ich freu mich so. Hamburg war auch nicht schlecht, aber – wer tötet nicht am liebsten in der eigenen Heimat?“
„Nee“, antworte ich, „ist klar.“
Die Bauarbeiter gucken sich unentschlossen an. Mein Gegenüber hat keine Augen für sie.
„Vorher natürlich Corona-Tests vorne und hinten, da geht kein Weg dran vorbei.“
„Absolut logisch – in der heutigen Zeit geht ja nichts mehr ohne“, stimme ich zu.
„Ich bin einfach nur so froh, dass ich endlich wieder arbeiten kann.“
Ich proste mit meinem Käffchen erst ihm, dann den Bauarbeitern zu.
Ihr ahnt es schon, mein Gegenüber schafft Menschen nur zur Unterhaltung anderer aus dem Weg. Zur Unterhaltung solcher Menschen, die abends beim Durchschalten am Fernseher am liebsten bei Krimis hängen bleiben. Er ist Schauspieler.
In der letzten Zeit führe ich mehrfach Gespräche in der Öffentlichkeit, die die unwissenden Menschen in Hörweite ein wenig irritieren. So kürzlich mit einer Kollegin in der S-Bahn:
„Wo bist Du morgen?“, fragt sie
„Sachsen. Du?“
Sie gluckst fröhlich:
„Ich bin hier, ich mach wieder Sex.“
Was der leicht irritierte Herr neben uns nicht weiß: Die Kollegin unterrichtet des Thema „Sexualität und Behinderung“ für Fachkräfte in Einrichtungen für behinderte Menschen. Ähnlich wie bei der Kollegin, höre ich (und die unschuldigen Menschen, die im Café neben uns sitzen) auch von meiner Freundin Estelle Harring gern Sätze wie:
„Fehlt eigentlich nur noch der Sex, und dann sind wir fertig.“
Sie spricht üblicherweise von ihren Fantasyromanen, den „Forgotten Places“, in denen von den Leserinnen sehr geschätzte Sexszenen vorkommen.
Ehrlich gesagt darf ich auf niemanden von ihnen mit dem Finger zeigen. Als mein Gegenüber heute damit fertig war, vom Heimatmorden zu schwärmen, konnte man mich sagen hören:
„Wir hatten neulich so einen tollen, lustigen Tag zum Thema Jugendsuizidalität.“
MannMannMann.
Was ich meinte war lediglich: Der Seminartag endete nicht in depressiver Stimmung aller Teilnehmenden, sondern in der Zuversicht, jetzt besser in Beratungssituationen auf das Thema vorbereitet zu sein. Und warum lustig? Weil ich beim Unterrichten gern die Methode anwende, mal vorzumachen, wie wir es auf keinen Fall machen sollten. Das Thema ist absolut nicht lustig, ganz im Gegenteil und deswegen ist es elementar wichtig, professionell damit umzugehen.
Also begann ich den Seminartag mit den Worten:
„Es ist wichtig, dass wir uns auch damit auseinandersetzen, wie es jedem von uns persönlich mit dem Thema geht; denn wenn wir nicht neutral und professionell an das Thema herangehen, sind wir für den anderen keine Hilfe. Ich werde also sehr viele persönliche Fragen stellen. Wenn es Ihnen unangenehm ist, müssen Sie die nicht in der großen Runde beantworten, sondern nur in einer Kleingruppe, mit der sie sich wohlfühlen. Was Sie von den Sachen dann hier in der großen Runde mit uns teilen möchten, überlasse ich Ihnen. Also ganz ähnlich wie im Swingerclub: Alles kann, nichts muss.“
Stille.
In dem Moment, als mir dieser letzte Satz entfleuchte, dachte ich kurz: „Mensch, die kennen dich noch nicht. Was, wenn…“
Dann brach die ganze Gruppe in schallendes Lachen aus.
Sächsischer Humor und meiner scheinen ganz gut kompatibel zu sein. Ich finde, das lässt hoffen. Auch für die Heimat.
Für heute, macht’s Euch fein.