Na, Ihr so?
Ja, absolut! Genau das wollte ich auch gerade sagen. Schön, dass wir uns mal wieder einig sind. Also, wo war ich stehengeblieben? Ach ja: vor ein paar Wochen gab es ja dieses Corona, das erst dazu führte, dass Menschen Rezepte aus Nudeln und Klopapier erfanden, um dann aus Hefe Sauerteig zu machen, oder so ähnlich. Jetzt ist es ja verschwunden, dieses Corona, und hat uns Masken unter dem Kinn hinterlassen, die gern auch an unserem Ohr im Wind baumeln, wie einst die Doppel-Kirschen, die wir in unserer Kindheit als Ohrringe trugen.

Also noch mal – wo war ich? Die Sachen mit der Einsamkeit. Damals nämlich, als noch Corona war, da gab es einen Lockdown. Menschen waren aufgefordert, in ihren vier Wänden zu bleiben und so wenig Kontakt wie möglich mit der Außenwelt zu haben. Erinnert Ihr Euch noch? Und plötzlich gab es Menschen, die sich zusammen eingesperrt fühlten, obwohl sie einander schon lange nicht mehr nahe waren. Und dann gab es Menschen, die den Lockdown mit niemandem außer mit sich selbst verbringen konnten.
Alleine sein bedeutet nicht automatisch, sich einsam zu fühlen. Ehrlich gesagt kann man sich an der Seite eines anderen Menschen viel, viel besser einsam fühlen – wenn beide sich so viel zu sagen haben wie ein Fisch und eine Geranie.

Einsamkeit ist ein sonderbares Ding. Irgendwie sind wir eben im Grunde dann doch Rudeltiere; also die meisten von uns. Auch, wenn wir uns unser Rudel gern aussuchen und die Herde am liebsten selbst zusammenstellen wollen. Die Impf-Mamis bleiben ebenso gern unter sich wie die Schalke-Fans, und die Anhänger der Baseler Kunstmesse sind dann vielleicht doch seltener in der Facebook-Gruppe „Malen nach Zahlen“ zu finden. Wobei – wer weiß?

Was ich meine, ist: Wir suchen uns die Gesellschaft gern aus, mit der wir uns umgeben. Am liebsten ist uns dann doch, wenn wir irgendwelche Ähnlichkeiten sehen – oder uns erhoffen, irgendwann zu werden wie die Menschen, deren Nähe wir suchen. Wir brauchen den Austausch, wenn auch in unterschiedlichem Maß, die Gesellschaft, die Bestätigung: Ja, du bist ok, Du gehörst zum Rudel, wir setzen Dich nicht auf einer Eisscholle aus. Jedenfalls nicht heute. Nicht sofort.

Wenn wir mit jemandem zusammenleben, mit dem wir nicht so in Kontakt kommen können, wie wir es uns wünschen, dann fühlen wir uns einsam. Wenn die Anknüpfungspunkte fehlen, und wir wie nebeneinander her im Weltall schweben, dann fühlen wir uns einsam. Wenn wir in unserem Leben das Gefühl haben, unverstanden zu sein, in Geheimnissen zu ersticken, nicht gesehen zu werden, dann fühlen wir uns einsam.

Das wäre ja alles noch zu ertragen, wenn Einsamkeit nicht so ein dramatisch schlechter Ratgeber wäre. Einsamkeit lässt uns die Nähe von Menschen aushalten, die auch nur im Ansatz irgendwie versprechen, uns daraus zu befreien.

Wie sagt mal eine Frau im Seminar so schön? Wir wollen doch alle nur gemocht, gesehen und geliebt werden. Recht hatse. Jemand, der uns sieht, jemand, dem wir wichtig sind, der hinguckt, wen er vor sich hat, und sagt: Schön, dass Du da bist. Für die Hoffnung darauf verkauft die ein oder andere ihre Seele.

Angst rät frau auch gern dazu, in einer Beziehung zu bleiben, die ja vielleicht unter Umständen dann doch die Möglichkeit bieten könnte, dass möglicherweise irgendwann die Chance auf eine Art Verbindung – Ihr merkt, wie ich schwimme.
Denn im Grunde bieten diese Beziehungen nie die Chance auf echte Beziehung. Auf eine Verbindung. Auf Kontakt. Einsamkeit schmerzt schlimmer als der Zeh am Bettpfosten. Und am schlimmsten: in dem Moment, wo wir uns einsam fühlen, scheint es, als würde die Einsamkeit nie enden.

Einsamkeit lügt uns gern an und erzählt, dass sie nie wieder weggeht und auf immer bei uns bleibt, nur weil irgendein Depp ihr mal die Tür geöffnet hat. Einsamkeit erzählt uns, was mit uns alles verkehrt ist und warum wir nicht verdienen, mit jemand anderem als ihr befreundet zu sein. Wo wir doch schließlich sonderbar sind und vermutlich auch häßlich – und sowieso zu fett.

Einsamkeit redet uns auch manchmal ein, dass alle Menschen böse, alle Frauen Schlampen und alle Männer Schweine sind. Einsamkeit gibt ihren Einfluss nicht gern auf. So lange wir glauben, dass da draußen niemand ist, der unserer würdig ist oder niemand, der sich herablassen würde, uns zu lieben, hat sie uns fest im Griff. Ein Griff, der im schlimmsten Falle den Lebenswillen aus uns herausdrückt.

Ein erster klitzekleiner Schritt aus dieser Situation heraus könnte sein, sich zu fragen, ob wir wirklich alles glauben wollen, was uns die Einsamkeit ins Ohr flüstert. Oder ob da draußen nicht vielleicht doch der eine oder die andere ist, die Lust hat, uns zu sehen und der es leicht fällt, uns zu mögen.

So weit für heute, demnächst mehr!

Macht’s Euch fein.

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personal growth, Selbstfürsorge,

Letzte Änderung: 5. Juli 2020