Na, Ihr Besten?

Dieser Tage beschäftigt mich ja die Frage danach: Wie schaffen wir es, raus aus dem Erinnerungsteich meiner schrecklichen Gedanken an meine Vergangenheit zu kommen? Wie finden wir ins Hier und Jetzt?

Im letzten Post wagte ich zu behaupten, ein Weg sei, seinen eigenen inneren Monolog kontrollieren zu lernen.

Ja, das dauert.

Ja, das ist mühselig.

Und ja: es lohnt sich.

Und wenn Du es schaffst, Dir täglich die Zähne zu putzen, dann wirst Du das auch schaffen. 

Es geht nicht nur darum, den Selbstbeschimpfungen in unserem Kopf ein Ende zu setzen, sondern immer wieder grundsätzlich seine Gedanken in Frage zu stellen. 

Stellen wir uns einen Menschen vor, der chronische Angst hat, auch in Situationen, von denen er selbst weiß, dass sie nicht bedrohlich sind. Seine/ihre kreisenden Gedanken lauten vielleicht:

„Ich habe Angst! Ich hab solche Angst. Es können so viele schlimme Dinge passieren, denen ich nicht gewachsen bin. Was dann? Ich weiß nicht, was ich dann tun werde! Ich hab noch mehr Angst!“

Diese Gedanke als Dauerschleifen-Mantra im Kopf und schwups! der Tag ist im Eimer. Aber sowas von.

Hilfreicher könnte es sein, sich dieses Geblubber nicht kritiklos zu glauben, sondern sich einen Moment neben sich selbst zu stellen und mit sich selbst ein freundliches Pläuschchen zu halten:

„Ach guck mal, da ist ja wieder dieser Gedanke, der erzählt, dass ich Angst fühle.“

Fürs erste mag es einem vorkommen wie blöde Erbsenzählerei, aber glaubt mir: es ist langfristig ein riesiger Unterschied, ob ich denke:

„Ich bin wütend, ich habe Angst, ich bin enttäuscht! Meine Kindheit war so schrecklich! Alle Menschen sind böse! Wir leben in schrecklichen Zeiten“

oder ob ich bewusst denke: „Ich habe gerade den Gedanken, dass ich Angst/Wut/Enttäuschung/Kummer fühle.“ 

Wenn es uns gelingt, diese zwei Zentimeter Abstand zwischen uns und das Gefühl zu bekommen, dann können wir im nächsten Schritt überlegen, was wir damit tun möchten.

„Hier ist der Gedanke, der mir erzählt, dass ich Angst fühle. Was möchte ich jetzt damit machen?“ 

Und im dritten Schritt können wir versuchen, weiter nüchtern auf den Gedanken zu gucken:

Besteht aktuell eine akute Gefahr, vor der ich mich in Sicherheit bringen muss? Dann schwups, nichts wie los und in Sicherheit.

Liegt das, was mir Angst macht, in meiner Vergangenheit? Dann schwups: Fokus aufs Hier und Jetzt – und wenn es mit Hilfe einer dieser Achtsamkeitsübungen ist. (Du könntest Dich z.B. umgucken und drei Dinge laut (oder in Deinem Kopf) aufzählen, die Du siehst, drei Dinge, die Du hörst, drei Körperwahrnehmungen, die Du fühlst und drei Düfte oder Geschmackswahrnehmungen).

Lerne „Stop!“ zu sagen zu Gedanken, die keine aktuelle Relevanz haben, nicht hilfreich sind und die dich heute in der Situation, in der Du gerade bist, vor nichts beschützen.

Dazu gehören im Besonderen alle verallgemeinernden negativen Gedanken. Meine Fresse, das ist das schnellste und beste Rezept für eine nachhaltige Depression: „Die Menschen sind heute alle so verdorben!“ – „Wir leben in schrecklichen/gefährlichen Zeiten.“ Also Gedanken, die im Prinzip alles nicht nur in Frage stellen, sondern den Stempel „Bedrohlich und nicht lebenswert“ auf unsere gesamte Wahrnehmung pressen.

Zum einen… ach Mensch, komm – ganz ehrlich? Jede Zeit hat ihre guten und ihre schrecklichen Seiten. Wir können die Lupe auf jedes Zeitalter legen und feststellen, dass schwarz und weiß immer nahe beieinander lagen. Das gehört einfach zur menschlichen Existenz. 

Wir neigen nun mal einfach mit zunehmendem Alter dazu, manches, was Jahrzehnte zurückliegt mit verklärten Augen zu betrachten und zu idealisieren. Das hat ein bisschen etwas damit zu tun haben, dass wir jetzt wissen, wie wir damals aus dem Schlamassel rausgekommen sind und mit dem Schlamassel von heute noch keine guten Lösungen haben.

Immer, wenn irgendwer – und sei es Dein eigener Kopf – anfängt Dir zu erzählen, „heute“ sei alles ganz schlimm, dann werde misstrauisch. Diese Haltung nimmt Energie, sie ist lähmend und sie schafft einen fruchtbaren Nährboden für Depression.

Sich mantra-mäßig solche Gedanken oder alte Verfehlungen oder Selbst-Beleidigungen vorzubeten, darf und kann ein Ende finde – Allerdings müssen wir dieses Ende bewusst und aktiv im Kopf beginnen.

Ja, das erfordert Übung, und es braucht Zeit.

Nein, das klappt nicht sofort.

Aber was ist unsere Alternative?

Und die ewig gleichen Flüche und Klagen weiter jeden Tag 400 Mal aufsagen?

Das bewusste Ändern der eigenen Gedanken klappt auch nicht jedes Mal, aber es wird mit jedem Mal, dass wir es üben besser. Wenn es Dir hilft, bestücke Deine Wohnung mit Post-its oder Bildern oder Postkarten, die Deine neuen Gedanken unterstützen. 

Nimm Dir ein Notizbuch und schreibe Dir 30 Dinge auf, für die du jetzt gerade dankbar bist.

Was 30? So viele?

Ja, denn bis eben hat Dein Kopf Dir 50 Sachen hergebetet, die furchtbar sind, ohne dass Du gesagt hast: „So viele? Können wir nicht nach 12 aufhören?“

Nochmal: Schwarze Gedanken in unserem Kopf wohnen zu lassen, ist so wie eine Wohnung an Mietnomaden vermieten, die alles einschmuddeln und kaputt machen. Wer schwarze Gedanken mietfrei in seinem Kopf wohnen lässt, wird irgendwann ein verbitterter alter Sack, der sich 5 Esslöffel Zucker an den Kaffee machen muss, damit sein Leben auch nur den Hauch von Süße erfährt.

Macht’s Euch fein – vor allem im Kopf.

Kategorisiert als:

personal growth, Selbstfürsorge,

Letzte Änderung: 20. Juli 2021

Markiert als:

,