Na, Ihr Besten aller Liebsten?
Warum bloß beschäftigen wir uns immer noch mit diesem Fridolin-Phänomen? Weil Fridolin-Konflikte unglaublich einladend und verführerisch sind und weil uns Einladungen zu diesen Konflikten jeden Tag auf einem silbernen Tablett serviert werden. Kennt Ihr diese Art von Dialogen aus Eurem Alltag?
Lisa: Na, wie geht’s Dir?
Lotte: Ach, naja, muss ja. (anklagender Blick, leidend einen Seufzer unterdrückend)
Lisa: Was ist denn los?
Lotte: Ach naja, der Frido kann ja nichts dafür…
Lisa: (aufbrausend) Was hat er denn letzt wieder gemacht?
Lotte: Ach, das war ja meine eigene Blödheit. Ich weiß ja, dass Frido müde ist, wenn er nach Hause kommt und dass er die Kinder dann nicht gut erträgt. Ich versuche ja schon immer sie im Bett zu haben, bevor er von der Arbeit kommt.
Lisa: (Puls geht hoch in medizinisch bedenkliche Sphären) Wieso müssen die Kinder denn im Bett sein, wenn er von der Arbeit kommt?! Das sind doch seine Kinder. Er wollte die doch!
Lotte: Ja, und er liebt sie auch sehr. Aber nach 12h im Büro hat er nicht mehr die Geduld. Und sein Chef ist auch so anstrengend und jetzt, wo die Kundenzahlen einbrechen… es tut ihm ja auch alles am nächsten Tag immer so leid. Er will das ja alles gar nicht.
Lisa: (Kann kaum noch atmen vor Wut) Wenn er das nicht will, wieso macht er das dann? Und was ist „ES“?
Jaaaa, wenn Dir beim Lesen auch der Puls geht und Du beginnst, in Deinem Kopf kleine Vorträge zu halten, und wenn Du Lotte gern schütteln möchtest… dann hat dir jemand erfolgreich seinen Fridolin zugeschoben.
Das ist so ähnlich wie schwarzer Peter, nur schlimmer und im Real Life. Je mehr Du dich an Lottes Stelle aufregst, je mehr Du sie bedrängst, ihrem Fridolin endlich mal eine Grenze zu setzen, desto mehr wird Lotte ihren armen, missverstandenen Frido verteidigen.
Schließlich: was wäre ihr Fridolin ohne sie?
Wenn Du eine Lisa bist (und – machen wir uns nichts vor: wir können je nach Stand der Sonne durchaus beides im Wechsel sein: Lotte UND Lisa) und Lotte drängst, sich Hilfe zu suchen, sich abzugrenzen oder gar sich zu trennen, wenn Du irgendwann die Nase voll hast und das Gejammer nicht mehr hören kannst, dann wird Lotte sich von Dir abwenden und sagen: „Wieder ein Mensch, der mich enttäuscht hat!“
Was Lotte erwartet und sich in der Tiefe ihres Herzens wünscht, ist jemand der sagt: „Boh, voll schlimm. Ich kenne das: mein Mann ist auch so (es folgt eine ähnliche Leidensgeschichte), aber da kann man ja nichts machen.“
„Misery likes company“ heißt es im Englischen. Es scheint etwas erschreckend Tröstliches zu haben, mit anderen gemeinsam zu leiden und sich zu beklagen – ohne etwas zu ändern.
Meine Vermutung ist, dass Frauen jahrhundertelang am Dorfbrunnen standen und sich über das Elend beklagten, das sie erdulden mussten und gegen das sie sich nicht wehren durften.
Meist wurden sie allerdings gegen ihren Willen mit jemandem verheiratet und hatten keine Möglichkeit, sich aus dieser Ehe zu befreien.
Vielleicht dürfen wir uns fragen, warum wir uns auch noch im 21. Jahrhundert Männer aussuchen, die selbst unser Vater als inadäquat abgelehnt hätte, weil sie wirtschaftlich keine Familie ernähren und menschlich unerträglich sind.
Oft hat es mit einer Art Größenwahn zu tun. Mit der Vorstellung: „Nur ich kann diesen grandiosen, genialen, so unglücklichen Menschen aushalten und ihn ändern. Und wenn er geheilt ist, dann werden wir alle glücklich sein!“
Wie sagt Leslie Morgan in ihrem TED-Talk, über die häusliche Gewalt, die sie erlitten hat?
„Warum blieb ich? Die Antwort ist einfach. Ich wusste nicht, dass er mich missbrauchte. Obwohl er geladene Waffen an meinen Kopf hielt, mich die Treppe hinunterstieß, (…) den Schlüssel aus der Zündung zog, während ich auf der Autobahn fuhr, (…), erachtete ich mich selbst nie als eine misshandelte Frau. Im Gegenteil, ich war eine sehr starke Frau, die einen Mann mit schweren Problemen liebte, und ich war die einzige Person auf der Welt, die ihm dabei helfen konnte, sich seinen Dämonen zu stellen.“
In so einer Situation zu leben und wie Lotte völlig das Gefühl dafür zu verlieren, was da wirklich gerade passiert, bedarf der professionellen Hilfe.
WennDu allerdings beim Lesen festgestellt hast, dass Du eher eine Lisa bist, dann hilft Dir vielleicht einfach nur der Vorsatz aus dem Englischen: „Pick your Battles!“ – Such Dir aus, welche Kämpfe du wirklich führen möchtest:
- kein Schattenboxen mehr gegen den Mann deiner Freundin, die nicht bereit ist sich zu trennen
- kein Windmühlenangriff mehr gegen die Schwägerin Deiner Mutter, die sich nicht feiertagskonform verhält
- kein Abrechnen mehr mit dem Enkelsohn, der sich nicht anständig für die Weihnachtsüberweisung deiner Eltern bedankt
Wenn Deine Eltern und Deine Freundin erwachsen und zurechnungsfähig sind, dann sind das ihre Kämpfe und nicht Deine.
Deine Eltern und Deine Freunde auch in schwierigen Phasen zu unterstützen, sie auszuhalten und sie nicht mit sich allein zu lassen, das ist Freundschaft.
Einen Kampf zu führen, den sie selber kämpfen könnten und gerade nicht führen wollen, das bedeutet: wir haben uns instrumentalisieren lassen. Und – wollen wir das?
Macht’s Euch fein!
Ich drücke Dir die Daumen für Deinen Neustart! Toitoitoi!
Liebe Claire, du erzaehlst meine Geschichte. Ich war Lisa und meine Freundin Lotte hat mit irgendwann gesagt, dass sie mir nicht mehr zuhoeren will. Im vergangenen August bin ich endlich ausgezogen, mir gefaellt das sehr gut, meiner zehneinhalbkaehrigen Tochter gar nicht. Sie wohnt im Wechsel bei ihrem Vater in der Wohnung, in der ich frueher auch lebte, und bei mir. Bei mir will sie bis heute nicht wirklich sein und isst sehr wenig, Junk Food vom Imbiss geht noch am besten. Ich hoffe so sehr, dass auch sie irgendwann in meiner Wohnung ankommt. Danke fuer die Fridolin-Serie. ☺
Ich danke dir von ganzem Herzen für diesen Fridolin Beitrag, ich habe Gott sei Dank in den letztrn Jahren gelernt mit abzugrenzen, dafür musste ich allerdings auch erst 58 werden. Mein Mutter Theresa Syndom gehlrt der Vergangenheit an. „MissLiberty“ hat die Führung übernommen.
Was für ein wunderschöner Name „MissLiberty“ 🙂 Jetzt verstehe ich ihn erst richtig! Ich freue mich mit Dir! Auf bessere Zeiten, Du Liebe!