Eben gucke ich aus dem Fenster und sehe einige Jogger am Fluss entlang rennen, deren Laufstil so bedenklich ist, dass ich ihnen zurufen möchte: „Hör auf damit, Deiner Orthopädin den Schwimmteich zu finanzieren!“ Nein, natürlich lasse ich das Fenster zu. Gönnen wir den Orthopäden ihre Schwimmteiche und uns eine Pause zum Nachdenken.
Es wird Zeit, sich endlich mit dem Fridolin-Syndrom auseinanderzusetzen. Seit Wochen will ich darüber schreiben. Seit Wochen kommt mir immer irgendetwas anderes dazwischen. Seit Wochen überlege ich, von welcher Seite ich dieses komplexe, fundamental wichtige Thema zwischenmenschlicher Beziehungen aufrollen könnte.
Vielleicht ist der beste Weg zu starten wirklich der Anfang: Am Anfang gab es Fridolin.
Fridolin war der adipöse, alternde Kater aus dem Nachbargarten einer Freundin. Fridolin trug ein kleines, helles Glöckchen um den Hals, um die Vögel im Umkreis vor seinem Heranschleichen zu warnen.
Nun begab es sich damals, dass meine Freundin meinte, die Anschaffung eines Pitbull-Welpen namens Comanche sei eine grandiose Idee. Es waren die frühen 90er, da hielt man auch große Schulterpolster noch für eine akzeptable Entscheidung.
Als Fridolin davon Wind bekam (vom Hundewelpen nebenan, nicht den Schulterpolstern), wurde ihm ziemlich schnell klar, dass er eine Hierarchie etablieren müsste. Eine Hierarchie, die für alle Zeiten klären würde, wer der Chef im Revier sei. Also zog Fridolin dem nichts ahnenden Welpen beim ersten Kennenlernen ohne Vorwarnung die Kralle durchs Gesicht.
In den folgenden Jahren musste Comanche nur das Glöckchen aus der Ferne hören, schon sprang er auf den Schoß seines Herrchens und begann zu zittern und zu winseln. Fridolin machte sich ab und an das Vergnügen, Comanche einen Besuch abzustatten. Dann stolzierte er durch den Wintergarten, vorbei an dem zitternden Hund, schnurstracks in die Küche, fraß ein, zwei Häppchen aus dem Hundnapf und ging sehr zufrieden mit sich und der Welt wieder nach Hause, nicht ohne im Vorbeigehen Comanche mit der Schwanzspitze am Kinn entlang zu streichen.
Um es kurz zu machen: Comanche hat auch Jahre später nicht begriffen, dass er dreimal so groß und so stark war wie Fridolin. Er hat sich niemals gewehrt oder verteidigt.
Aber jede andere Katze hat für Fridolin bezahlt.
Sobald Comanche beim Gassi gehen eine Katze oder einen Hasen erblickte, schoss er auf seinem Rachefeldzug los.
Nun stellt sich die berechtigte Frage: Was in drei kleine, dicke Schweinchens Namen hat das mit uns zu tun? Vielleicht mehr, als uns lieb ist. Sich wirklich den vorzuknöpfen, der uns massiv schadet, scheint eine DER größten Schwierigkeiten überhaupt zu sein.
Im Gegenteil: manchmal wirkt es so, als würden einige von uns alles tun, um nur den Konflikt mit dem Menschen, der sie am meisten kränkt und ausbeutet, zu vermeiden. Im schlimmsten Fall stellen wir uns noch hin, um unserem Peiniger einen schönen Kuchen backen.
Mit dem Ausdruck „Fridolin-Sydrom“ bezeichne ich das Phänomen, dass wir Konflikten mit den Menschen aus dem Weg gehen, die wirklich unsere Grenzen verletzen und uns massiv schädigen und statt dessen jemanden bezahlen zu lassen, der nichts mit der Sache zu tun hat. Im Grunde wäre es doch das Logischste der Welt, sich mit denen auseinanderzusetzen, die uns gekränkt haben oder unsere Grenzen ignoriert haben. Warum also tun wir das nicht?
Dieser Frage wende ich mich in Kürze zu.
Für heute, macht’s Euch fein.
Darf man auch vorsichtige Kritik äußern?????
Du kennst mich als „Gesche“ aus der ww- community
Im wahren Leben P.
Vor Teil drei? Du bist ja mutig! 😉 😀