Ok, es ist so weit: Let’s talk about sex. Die Sonne lächelt, aus der Ferne hört man die Demo-Trommeln der Querdenker – was wäre ein besserer Zeitpunkt, um etwas über die Risiken des Fortpflanzungsaktes zu schreiben?
Kürzlich las ich den Text einer junge Frau, die schrieb, sie sei von vorbeigehenden Menschen mit dem Kommentar bedacht worden: „Wenn ich so aussehen würde wie die, dann hätte ich auch keinen Sexualpartner.“
Da waren sie wieder, unsere drei Probleme: Aussehen, Begehrt-Werden und Sex. Gibt es noch ein höheres Ziel im Leben einer Frau? Ach ja, klar: die vorhandenen Kinder zum Beweis, das Punkt 1, 2 und 3 erfolgreich abgearbeitet wurden.
Über kaum ein Thema wird mehr gelogen als über Sex. Das Thema Geld inspiriert vielleicht noch mehr zum lügen. Die psychologischen Kolleginnen, die sich wissenschaftlich mit dem Thema befassen, beklagen wie schwierig es sei, anständige Ergebnisse bei Befragungen zu bekommen, weil die Tendenz zum Lügen so groß sei.
Je nachdem, was die Gesellschaft von uns erwartet, berichten wir auf unterschiedliche Arten. Männer, von denen erwartet wird, ständig Sex zu wollen und sich über Potenz zu definieren, berichten oft von deutlich mehr Sexualpartner_innen und aufregenderen Erlebnissen als sie in der Realität hatten.
Frauen, die – sobald sie irgendein nennenswertes Sexualleben haben – gern als „Schlampen“ betitelt und immer noch vielerorts für ihre Enthaltsamkeit gefeiert werden, spielen in Studien gern die Zahl ihrer Erlebnisse und vor allem ihr Interesse an Sex dramatisch herunter: „Ja, okeee, Sex, wenn es denn unbedingt sein muss, aber nur an Tagen mit P und in Monaten ohne R. Und nur mit dem Partner, den ich später mal nach altkatholischem Ritus heiraten möchte.“
Es geistert in viel zu vielen Gemeinschaften immer noch der Mythos herum, dass eine Frau, die sexuelle Erfahrungen mit einem anderen Mann als dem eigenen Ehemann gesammelt hat, eine Art verdorbenes Gut sei. So wie in einigen Königshäusern der Kronprinz nur eine Frau heiraten darf, die noch nie etwas mit einem anderen Mann hatte, damit kein anderer Mann sagen kann, er habe die Königin „besessen“.
Das Verb sagt einem doch schon alles über ein sehr antiquiertes Prinzip. Sex bedeutet demnach: der Mann ergreift Besitz von etwas, während die Frau der Besitz ist? Puh, tief durchatmen, sonst findet mein Frühstück den Weg zurück ans Tageslicht.
War nicht Lady Di primär auch eine Kandidatin für Prince Charles, weil sie dieses Kriterium erfüllte? Boy, look how great that turned out!
Im Grunde geht es durch vorrangig um ein Kriterium: die Selbstbestimmung bei allen Beteiligten. Wenn beide Beteiligten in dem was sie tun oder lassen frei und selbstbestimmt sind, dann ist schon viel gewonnen. Der Einfachheit halber gehe ich jetzt mal von zwei Menschen aus. Betrachtungen über Orgien kamen ja schon im ersten Buch vor.
Sobald die Selbstbestimmung einer der beiden nicht gegeben ist, beginnen Drama und Unglück. Ob nun jemand will oder nicht will oder was genau jemand will… so lange beide die freie Wahl haben, zu jedem Zeitpunkt zu sagen: „Nein, ich möchte das nicht.“ ist schon fast alles in Ordnung.
Genau diese Balance zwischen Selbstbestimmung und Gemeinsamkeit macht die ganze Geschichte natürlich kompliziert. Wer gern Tiernamen ins Ohr geflüstert bekommt, kann entweder so lange warten, bis der Partner von allein auf die Idee kommt, einen „Struppi oder „Pluto“ zu nennen – oder er kann ihn darum bitten. Wenn für den anderen „Struppi“ allerdings negative Assoziationen weckt, dann kann es sein, dass als Antwort kommt: „Ach weißte… ich mag ja lieber Stille.“
Jo. Nicht so leicht, alles.
Ebenso wichtig ist, das keiner der beiden sich daran ergötzt, dem anderen seelischen oder körperlichen Schaden zuzufügen. Sobald Begehren mit dem Wunsch nach Macht über den anderen verbunden wird, wird das Eis sehr dünn. Dann ist das Ziel der ganzen Aktion, die Selbstbestimmung des anderen zu untergraben.
Jemanden allerdings darüber zu definieren, ob er hypothetisch für einen anderen Menschen begehrenswert ist und das wiederum ausschließlich ans Aussehen zu knüpfen,, bedeutet ihn oder sie auf ein Minimum seines Potenzials zu reduzieren. Und das hat wirklich niemand verdient.
Für heute: Habt’s fein.