Na, Ihr Besten aller Liebsten?!
An diesem grauen Morgen, an dem das Kind beschlossen hat, zum Frühstück Seinfeld zu gucken, trödeln ziemlich müde Gedanken durch mein Hirn.
Es gibt einige Dinge, derer ich müde bin. Eins ist die Brutalität und herzlose Grausamkeit, mit der so viele von uns mit ihrem Körper umgehen. Manchmal möchte ich diese Menschen antippen und sagen: „Sach mal, Mädel, Dir ist schon klar, wenn dein Körper richtig Schaden nimmt, dann gibt es keinen neuen. Umtausch ausgeschlossen.“
Ja, ok, es sei denn, Ihr glaubt an Reinkarnation.
Allerdings, ganz ehrlich, wenn ich die Gottheit wäre, die nach dem Tode neue Körper an alte Seelen zu vergeben hat, dann würde ich den letzten Körper mit der Genauigkeit eines Mietwagen-Angestellten inspizieren und nach den kleinsten Schäden gucken, die durch Nachlässigkeit, Unachtsamkeit oder vorsätzliche Gewalteinwirkung entstanden sind.
Und dann hieße es eben bei bestimmten Menschen: „Sorry, Dir kann man leider keinen neuen Körper anvertrauen, Du machst ja auch wirklich alles kaputt.“
Und mich würde nicht beeindrucken, wenn dann als Antwort kommt:
„Ja, aber! Ja, aber! Ja, aber für alle anderen Autos habe ich mich aufgeopfert! Fremde Autos habe ich geölt und poliert und bin ihnen ausgewichen, damit sie freie Fahrt hatten. Ich bin ja nur deswegen mit fast leerem Tank und Motorschaden auf den Autobahn gefahren, damit ich den anderen Autos helfen konnte! Die brauchten mich alle.“
Mit anklagendem Finger würde ich auf die abgefahrenen, platten Reifen, die fehlenden Türen und das durch einen Klodeckel ersetzte Lenkrad zeigen: „Mit der Karre, die übrigens mal ein Audi A8 war, kannst Du niemanden mehr irgendwas geholfen haben.“
Das Sonderbare ist, dass manche Menschen auch noch besonders stolz sind und miteinander konkurrieren, wer seinen Körper effektiver ruinieren kann:
„Ich hab jetzt die ganz Woche keine Nacht mehr als vier Stunden geschlafen und jeden Tag 12 Stunden gearbeitet!“
„Du Glückliche! Ganze vier Stunden Schlaf? Und nur 12 Stunden Arbeit? So wie Du arbeitest, möchte ich gern mal Urlaub machen. Ich hab trotz Hexenschuss UND meinen Frühblüher Allergien 16h schwer körperlich gearbeitet und mich nur von Toastbrot mit Nutella ernährt, weil ich keine Zeit zum Kochen hatte!“
Meine Garantie: es findet sich jemand, der bei diesem Slow-Suicide-Poker noch versucht zu überbieten.
Überraschenderweise besonders oft Frauen in helfenden Berufen.
In so vielen Pflegeeinrichtungen und Wohnheimen etc. begegnen mir freundliche, charmante, sich aufopfernde, liebenswerte Frauen, die entweder eine nach der andern rauchen, starkes Übergewicht haben und sich nicht erinnern können, wann ihr letzter Urlaubstag war. In ihrer Freizeit retten sie alles, was leise winselt, bedienen ihre Familie von vorne bis hinten („Wie soll der Junge sich sein Schulbrot selbst schmieren? Der ist doch erst 16!“) und versäumen ihre Arzttermine.
Wozu die eigenen Beschwerden mal ernsthaft nachgucken lassen, wenn Ibuprofen so günstig ist?
Letztens erzählte Babette Mahnert, der ich auf Instagram folge, in ihrer Story ein schönes Beispiel, wie wir uns echte Selbstfürsorge vorstellen können:
Erinnert Ihr Euch noch an die Fernsehsendung „Traumhochzeit“ mit Linda de Mol? Da gab es diese Pyramide aus Champagnergläsern. Stell Dir vor, du bist das oberste Glas. Wenn Du jetzt ständig Deine Energie (oder Brut D’Argent) in die unteren Gläser füllst, und nicht in Dein eigenes, ist irgendwann die Flasche alle, und Du gehst leer aus! Wenn Du hingegen als erstes und ÜPPIG Dein eigenes Glas füllst mit Liebe mit Zeit und mit Fürsorge (oder Prosecco), dann wird Deine Selbstfürsorge und die Energie, die Du in Dich steckst, automatisch auch auf den Umfeld abfärben, so wie das Champagnerglas irgendwann überläuft und die Gläser darunter füllt.
Und ja, die Vampire in Deinem Umfeld, die Deine Energie koste-es-was-es-wolle absaugen, bis du tot umfällst, die werden sich zurückziehen. Ein Verlust, den frau wahrlich verschmerzen kann!
Ok, ok, ok. Ich höre schon den Einwand: „Ja, aber Claire, Du bist vielleicht ein Audi A8! Aber ich bin nur eine wertlose, blöde Kinderschubkarre aus Pappe. Da lohnt es nicht, so viel Energie reinzustecken. Von Tag eins hat mein Umfeld mir gesagt, dass ich nur eine Pappschachtel auf Rädern bin, die keiner will.“
Erstens: Krieg’s in Deinen Kopf – Du bist mindestens ein A8, vielleicht sogar ein Porsche Cayenne oder ein flotter Jaguar.
Zweitens: Es mag sein, dass Du – und die anderen – Dich behandelst wie eine Papp-Schubkarre, das macht Dich aber noch nicht zu einer.
Drittens: Du musst mir nicht glauben, dass Du eine Luxuskarosse bist, um dich so fürsorglich und vorsichtig zu behandeln wie eine.
Viertens: Wenn dieses Gefühl „niemand will mich“, dieses Gefühl von unerwünscht und ungeliebt sein, Dein Herz und Deine Gedanken vergiftet, dann fang heute an Dich davon zu verabschieden.
Wie wir alle bist auch Du ein Wunschkind des Universums.
Du bist hier, Du hast eine Chance auf Leben, also hör auf zu versuchen, Dich auf umständliche und langwierige Art und Weise umzubringen.
Wenn es zu schlimm wird, dann lauf los und hol Dir Hilfe. Jetzt.
Und nein, es ist nie zu spät.
Und ja, es lohnt sich immer.
Beim Aufopferung-Poker gewinnen zu wollen, ist der dämlichste Wettbewerb, an dem man teilnehmen kann.
Da ist ja sogar Kunst-Pupsen besser!
Es ist Sonntag. Morgen geht die Woche neu los. Eine Chance, sich endlich nicht mehr darüber zu definieren, wie unentbehrlich wir für alle anderen sind, wie viel wir leisten, wie sehr wir uns aufopfern und wie hart wir arbeiten.
Es reicht, dass wir sind. Und dann mal ganz in Ruhe gucken, was wir damit tun.
Macht’s Euch fein. Ich mein das ernst.