Na, Ihr Besten?
Heute mal was aus meinem verzweifelten Nähkästchen: An den Tagen, an denen ich Seminare gebe, gucke ich zur Einstimmung auf den Tag gern Frühstücksfernsehen. Ach naja, sind wir doch ehrlich: ich gucke es im Grunde nur, weil ich neben ein paar Nachrichten wissen möchte, was ich anziehen soll:
Jacke: ja oder nein?
Schuhe: ja oder nein?
Näää, natürlich muss es heißen: Schuhe: wasserfest oder Sandalen oder vielleicht sogar Fellschuhe?
Und vor allem: verändert sich das Wetter über den Tag so sehr, dass ich drei oder sieben Zwiebelschichten brauche?
Friere ich mir den ganzen Tag wertvolle Körperteile ab oder nur morgens?
Brauche ich einen Schirm oder kann ich schnippisch behaupten: Wir sind ja nicht aus Zucker?
So was. Ist das denn zu viel verlangt?! Ich finde, nicht. So, und dann nimmt das Schicksal seinen Lauf, und es kommt der Wetterbericht mit Donald „das-Wetter-ist-eine-sehr-ernste -Sache“ Bäcker oder Benjamin „ich-brauche-keine-Drogen-ich-hab-ja-meine-Isobarenkarte“ Stöwe. Je nachdem, ob die ARD oder das ZDF in dieser Woche Gastgeber fürs Frühstücksfernsehen sind.
Ok, der Benjamin „ich-bin-verliebt-in-ein-Hochdruckgebiet“ Stöwe ist wirklich putzig, aber sollte man nicht zutiefst misstrauisch werden, wenn jemand derart strahlend gute Laune beim Anblick einer Wetterkarte hat?
Mein Drama beginnt direkt im Anschluss an die Nachrichten: Auftritt Metereologe. Ich klebe am Bildschirm, ernsthaft interessiert, weil ich ja dringende Fragen für mein Outfit habe. Und dann endet mein Interesse mit den ersten Worten „Werfen wir einen Blick auf die Isobarenkarte“.
Nein, flüstere ich. Bitte nicht die Isobarenkarte! Der Bildschirm zeigt etwas, dass die Umrisse meines Heimatlandes zeigt. Auf Deutsch: Die Deutschlandkarte erkenne ich noch. Als nächstes schieben sich kreisende, wie in Trance bewegende Wellenlinien auf sich langsam farbig verändernden Untergrund, der mal eine Landkarte war… und Zack! Bin ich auch in Trance!
Dazu säuselt Benjamin oder erklärt Donald „von Norden her kommt kalte Luft und strömt übers Mittelmeer“, und kurz schreit es noch in mir auf: was soll ich anziehen? dann kommt eine Warmfront von Osten, der Tag beginnt in Koblenz mit Temperaturen von minus 54 Grad und mit den Wolkenbändern und mit rotorangegrünblauen Farbflächen steigen oder sinken die Temperaturen, bis er schließlich im Harz mit einer Strumfront und Wärmegewittern endet. Kommen Sie gut durch den Tag. Danke. Tschüss.
Dann wache ich auf. Ich wohne in Berlin! BERLIN! Was soll ich anziehen, Donald! Was?! Benjamin, brauche ich einen Schirm! Sag doch was!
Die Kollegen aus der Hypnotherapie nutzen diese Isobarenkarte, um ihre Patienten in Hypnose zu versetzen und gegen ihre chronischen Schmerzen immun zu machen, da bin ich ganz sicher. Zusammenschnitte dieser Wetterberichte laufen garantiert bei den Zahnärzten auf dem Monitor, die behaupten, sie könnten ihre Patienten vorm Ziehen von Weisheitszähnen in Hypnose versetzen.
Diese Segmente kann man überall dort einsetzen, wo man Leute dazu bekommen möchte, willenlos und apathisch zu werden. Und was passiert mit leicht manipulierbaren, schlicht gestrickten Gemüter wie mir? Die gucken dann auf die App vom Handy.
Danke, Donald. Danke, Benjamin. Ej, Mann, Ej.
Puh. Für heute: Macht’s fein.